Musical „Die Fabrik“
Über ein Jahr lang wurde für das 50-jährige Jubiläum der musisch-kreativen Werkwochen von über 30 Teilnehmern und rund 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern das Musical „Die Fabrik“ entwickelt. Am 7. August 2015 um 20 Uhr fand schließlich im Rahmen der Jubiläumswerkwoche die Premiere in der Aula des Pius-Gymnasiums statt.
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens entführt die Handlung des Stücks die Zuschauer 50 Jahre in die Zukunft ins Jahr 2065. In einer dystopisch verzerrten Version der Werkwochen wird das heutige Bildungssystem und die dahinterstehende gesellschaftliche Geisteshaltung persifliert. Leistung, Wettbewerb und Arbeit statt Freiheit, Gemeinschaft und Kreativität. In dieser auf Konkurrenz und bloßem Kopieren und Nachahmen reduzierten Logik, ist die Fabrikleitung ausschließlich darauf bedacht die Ordnung und Effizienz einer kalten Institution aufrecht zu erhalten, möglichst viele zertifizierte „Kreative“ zu schaffen und den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Aus der „Bleiberger Fabrik“ wird „Die Fabrik“. Aus einer musisch-kreativen Institution wird ein Erziehungsbootcamp.
Diese düstere Dystopie zeigt in unserem heutigen Bildungssystem leider zu oft ihre bittere Realität. Schule ist mittlerweile oft nicht mehr als ein auf stumpfe Vermittlung und Abfrage von Sachwissen versteifter Schatten ihres Ideals, welcher die Individualität der Kinder und Jugendlichen kaum anerkennt und häufig von äußerst hohem Leistungsdruck, Sinnentleerung und Zeitmangel für persönliche Entwicklung geprägt ist. Die Schule scheint immer mehr zum bloßen Arbeitsmarktsieb zu verkommen, welches seit G8 noch schneller und komprimierter arbeiten soll. Schule macht aus spontanen, neugierigen und verspielten Kindern leider zu oft stumpfe Aufgabenerfüller und Erwartungsbefriediger, die bei Problemstellungen dazu neigen die eine richtige Lösung – den „Erwartungshorizont“ – zu suchen, statt über den Tellerrand hinauszublicken und mit kreativer Lösungskompetenz eine Vielfalt an Möglichkeiten zu sehen. Kinder sind keine Gefäße, die mit normierten Standardantworten gefüllt, sondern Leuchten, die in ihren individuellen Talenten entzündet werden wollen. Genau deshalb wollen die revolutionären Protagonisten des Musicals die Fabrik brennen sehen, nachdem sie auf die verloren geglaubte Idee des Spielenden Menschen stoßen. Dabei treibt sie die Sehnsucht nach Kindheit: Die Freiheit nach eigenem Interesse, Antrieb und Tempo im Spiel mit sich selbst, die eigenen Neigungen, Interessen, Fähigkeiten und Ziele zu entdecken. Aus konkurrierenden Gruppierungen einzelner Eigenbrötler wird im Laufe der Story eine Gemeinschaft, die sich untereinander akzeptiert und gegenseitig hilft.
Die Arbeit an diesem großen Projekt schmiedete auch aus allen Beteiligten eine große Gemeinschaft. Viele Tränen flossen als spätestens nach dem zweiten und vorerst letzten Auftritt das gemeinsame Schaffen bis auf Weiteres ein Ende zu finden schien. Eine wundervolle gemeinsame Zeit akribischer Vorbereitung mündete in zwei spektakuläre Auftritte, die in ihrer Umsetzung und Botschaft ihresgleichen sucht und weiter geteilt werden müsste, wie auch das nahezu ausnahmslos begeisterte Publikum einstimmig befand.
Autor: Thomas Ruddigkeit
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